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Schuld in der Trauer

Aktualisiert: 17. Juni 2023

„Hätte ich doch nur ….“ – hätte ich nur nicht …“. Schuld in der Trauer findet man bei trauernden Menschen öfter als man denken mag.


„Hätte ich doch nur meinen Mann an diesem Morgen nicht zum Bäcker geschickt, dann würde er sicher noch leben“.


Oft wird von einem begleitenden Gegenüber zunächst der Versuch unternommen, mit rationalen und sachlichen Argumenten diese aufkommende Schuld zu relativieren.


Als Begleiter, ganz gleich ob professionell oder als Freundin, Freund, Verwandter, Bekannter erkennt man allerdings schnell, dass man nicht bis in die Gefühlsebene des Trauernden vordringen kann, mit Sätzen wie: „nein, du kannst doch nichts dafür“. Schon während man solche Sätze spricht, spürt man, wie schnell die Energie solcher Sätze schwindet und man selbst sie irgendwie nur „lahm“ aus dem Munde bringt.


Vielleicht weil man selbst weiß, wie sich solche Schuld anfühlt?


Diese Schuld, die der Trauernde sich selbst gibt, kommt eben aus dem Herzen, aus der Ebene der Gefühle und nicht aus der rationalen linken Gehirnhälfte.


Das Foto zeigt folgenden Text: Für den, der übrigbleibt, beginnt nun die Auseinandersetzung mit der eigenen Ohnmacht. Sich schuldig zu fühlen, bringt eine gewisse Ordnung im eigenen System zurück. Ich bin nicht haltlos, nicht mehr ohnmächtig, ich kann mich wieder an etwas orientieren - an etwas festhalten ... und wenn es nur die Feststellung ist, dass ich Schuld trage...


Bestimmt hat man im Erwachsenenalter Trennung und Trauer kennengelernt. Nicht nur ausschließlich durch Tod eines geliebten Menschen. Auch wenn eine Liebe, eine Beziehung, endet.


Nach der grossen Liebe folgt die Trennung.


Einer der beiden verabschiedet sich aus der Beziehung – warum auch immer – und für den anderen, der zurückbleibt, beginnt nun die Zeit des Spürens der eigenen Ohnmacht, die zerbrochene Beziehung nie mehr leben zu können und nicht mehr „kitten“ zu können.


Es kann zweierlei geschehen: man bleibt lange in dieser Phase der Ohnmacht oder man erreicht recht schnell das Level der Wut. Und dann, nach allem Aktionismus, die Wut hervorbringen kann, kommt die Zeit, in der sich der verlassene Mensch Schuld gibt. Entweder er sucht sie bei sich selbst oder beim Partner.

Die angemessene Sprache angesichts von Verlust und Trauer ist das Schweigen. Nicht das kalte hilflose Schweigen. Sondern das achtsame miteinander Schweigen. Es ist ein Schweigen jenseits aller Sprachen.

Auch hier entfaltet Schuld eine bestimmte Wirkung. Die Handlungsfähigkeit kommt zurück, ich bleibe handlungsfähig und somit wirke ich wieder in meinem eigenen System – in meinem Körper für mich selbst. Ich bin rehabilitiert – nach dem Chaos der Ohnmacht kommt wieder Ordnung in mein System.


Es mag merkwürdig klingen, aber schuld zu sein heißt auch, die Kontrolle über sein Leben zurückzuerlangen. Ich erkenne einen Sinn in meinen Handlungen, die vorher vielleicht im Chaos der Ohnmacht und Suche untergegangen war.


„Hätte ich doch nur …“ zeigt das ganze Ausmaß von Verzweiflung, von Unsicherheit und Chaos im Herzen und in den Gefühlen. Die Frage nach Sinn, nach dem „warum“, die Sehnsucht nach Erklärungen, die unser Verstand so dringend braucht, um zu verstehen, zeigt sich hier.


Manchmal bringt uns das Leben Lernerfahrungen, die wir uns so nicht gerade ausgesucht hätten. Vielleicht sind es aber gerade diese Grenzerfahrungen, die auch einem Menschen, der einen Trauernden begleitet, aufzeigt, dass nie alles erklärbar ist, dass man selbst ständig auf der Suche nach Erklärung ist … und in manchen Fällen keine findet, die schnellen Trost bringt.

Das macht einen Menschen für einen Trauernden zum „Mitsuchenden“, der im großen Meer des Lebens den eigenen Sinn sucht … und das wiederum gibt einem Trauernden Trost und macht uns alle einfach zu Menschen.


Foto mit folgendem Text: Es ist eine Sache, die ich jedem rate, der einen Menschen in Trauer begleitet oder ihm nahe steht. Man muss bestimmte Arten zu trauern einfach akzeptieren, auch wenn man sie slebst in keinster Weise nachfühlen kann. Man muss lernen, aufmerksam zu sein und sich nach dem Trauernden zu richten. Nur dann kann man wirklich helfen. Und oft bringt es schon viel, nur da zu sein!.



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