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Alles ist anders - TrauerZeit

"Seit dem Tod meines Partners befinde ich mich wie in einer Trance. Ein Gefühl der unendlichen und nicht mehr aufzufüllenden Leere hat mich erfasst. Was um mich herum passiert, kann ich nur noch wie in Watte gepackt wahrnehmen".

Eine Klientin von mir. Nennen wir sie Andrea. Während eines ganz normalen Arbeitstages, vormittags 9:15 Uhr, stürzte für sie ihre Welt zusammen. Denn da wurde sie von einem guten Freund und Arbeitskollegen ihres Partners angerufen, der ihr mitteilte, dass ihr Partner vor 15 Minuten an einem Hirnschlag verstorben war. Es wäre ganz schnell gegangen, sie würden alle noch unter Schock stehen, es sei unfassbar. Der alarmierte Notarzt, konnte nur noch den Tod feststellen.


An die Heimfahrt durch eine Kollegin an diesem Tag kann sich Andrea nur noch schwer erinnern. Seit diesem Telefonanruf, befand sie sich wie in einer Trance. Das Einzige, was sie noch von sich selbst spürte, waren die heißen Tränen, die ihr übers Gesicht liefen. Die Kollegin hat ihr die Hand gestreichelt und einen Tee gemacht, als sie zuhause angekommen waren. Der ganze Ablauf war später nicht mehr hundertprozentig für sie einzuordnen. Alles war nur noch schemenhaft und unwirklich, als ob alles nur Theater und nicht real sei.


Während sie sich bewusst wurde, dass sie die anderen Familienmitglieder informieren musste, hätte es genauso gut auch sein können, dass Ihr Partner einfach nebenan im Schlafzimmer schlief. Erst als es Abend wurde und sie alleine war - es war ihr Wunsch gewesen - rückte dieses Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit wieder näher. Sie rief ihre Mutter an, die sofort kam und sie war jetzt doch froh, nicht alleine sein zu müssen, besonders da ihre Mutter keine Anforderungen an sie stellte und einfach da war ohne viel zu reden.


Es vergingen 3 Wochen. Die Zeit, die sie von der Arbeit wegblieb, wollte sie mit niemandem über den Tod ihres Partners reden. Sie wusste: je mehr sie darüber redete, je realer wurde das ganze Ausmaß und würde sie total "verschlingen". Wenn sie alles realisierte, müsste sie sich damit befassen, was sie in nächster Zukunft wird verändern müssen. Diese Wohnung aufgeben zum Beispiel, in der sie 7 Jahre gemeinsam gewohnt hatten, denn sie würde sie einzig mit ihrem Lohn nicht finanzieren können.


Und wie sollte sie auch wegziehen. Hier war doch noch seine Energie - sein Geist - sein Geruch. Überall war er noch zu spüren, nichts hatte sich in der Wohnung verändert, seit er fort war. Seine Kleidung hing noch genauso da, sein Rasierapparat stand im Bad und seine Latschen standen im Flur, als wenn er gleich wieder nach Hause käme. Und daran sollte sie was ändern? Sie wusste, dass sie noch nicht die Kraft dafür hatte.


Ihre größte Angst war es in dieser Zeit, dass sie wieder zurück zur Arbeit musste und die Blicke ertragen, die sie mitleidig anschauen würden - unerträglich - fast kam Wut in ihr hoch.



Sie würde sich wie eine Aussätzige fühlen, das wusste sie bereits und dann kam auch noch die Angst, dass Kolleginnen und Kollegen einen Bogen um sie machen und sie wie eine Fremde behandelten. Sie sagte mir: "Was half war, dass meine beste Freundin einige Tage vor meinem ersten Arbeitstag "danach" im Büro anrief und schon mal alle Fragen beantwortete, die natürlich jeder hatte. Die hätte ich sicher auch gehabt - aber ich selbst wollte sie zu diesem Zeitpunkt einfach nicht beantworten. Für den Anruf im Büro bin ich ihr noch heute dankbar. Das hat mir den ersten Arbeitstag sehr viel leichter gemacht."


"Vor allen Dingen hat sie allen mitgeteilt, dass ich nicht über den Tod meines Partners sprechen möchte - noch nicht. Irgendwann vielleicht. Aber diesen Tag wollte ich selbst bestimmen. Und ja, alle haben sich daran gehalten und es war einfacher als gedacht, diesen ersten Arbeitstag als Witwe zu bewältigen."


Ich persönlich finde es wichtig, dass andere Menschen akzeptieren, dass Trauer unterschiedlich aussehen kann und unterschiedlich verarbeitet wird. Nicht so wie man es gemeinhin denkt und normal erscheint, sondern jeder darf auf die Weise trauern, wie es für ihn stimmt.


Sie sagte: "Heute weiß ich, dass meine Freundin, die mir wirklich zur Seite gestanden hat, längere Zeit befürchtete, dass ich meine Trauer in mich hineinfressen und krank werden würde, weil ich einfach nicht darüber reden wollte. Heute sagt sie, dass es auch eine gute Lehrzeit für sie war, weil sie jetzt wüsste, dass man einfach akzeptieren muss, wie Menschen auf ihre Art trauern, auch wenn man das selbst in keinster Weise nachempfinden kann".


Gleich in welchem Verhältnis man zu einem trauernden Menschen steht, ob als Freundin oder als Verwandte. Man muss sich in solchen Zeiten einfach nach dem Anderen richten und für ihn da sein. Nur so kann man wirklich helfen und nicht einfach nur am Mitleidsrad drehen. Das hilft niemandem.


Und meist bringt es schon viel, einfach nur da zu sein!



Das Foto zeigt ein dunkelgraues Hintergrundbild mit der Aufschrift: Doch dieser Moment ist wie ein Kartenhaus und die Zeit zieht ihre Karten raus. Ich heb sie auf und halt sie fest, damit mein Herz Dich nicht vergisst. Adel Tawil


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